Einführung ins Thema

Auf dieser Seite gibt es eine einfache Einführung in das Thema.


Worum es geht

Fangen wir mit dem Untertitel an und fragen einen Ökonomen:
"Was ist das Ziel des Wirtschaftens?"

Antwort des Ökonomen:
"Natürlich die Wohlfahrt zu steigern."

Nun frage ich (stellvertretend für Sokrates):
"Und was ist das, diese Wohlfahrt, auf die alles Wirtschaften abzielen soll?"

"Nun," antwortet der Ökonom nicht unvorbereitet,
"das liegt natürlich im Ermessen des Einzelnen, weshalb wir Ökonomen auch von den individuellen Präferenzen ausgehen. Entsprechend des Pareto-Kriteriums ist eine Situation einer anderen vorzuziehen, wenn in dieser Situation wenigstens einer besser, aber kein anderer schlechter gestellt ist."

Nun frage ich mich, warum viele dieser Individuen jammern, wie schlecht es ihnen doch geht, auch wenn sie eine höhere "Wohlfahrt" haben als viele andere (die nicht so viel haben und teilweise doch weniger jammern).

Absoluter vs. relativer Wohlstand

Es gibt durchaus Wissenschaftler, die auch solche Situationen betrachten, beispielsweise Sozialpolitiker, Theologen, Soziologen und Psychologen. Manche von diesen sehen eine Möglichkeit, um dieses Jammern (zumindest wegen Neid-Situationen) zu vermeiden, in einer Gleichverteilung der Güter.

Nun wenden Ökonomen ein, dass dadurch doch Anreize zu mehr Leistung verloren gehen und letztlich alle weniger haben. Gerade wenn die Leistungsfähigen mehr haben (ihrem Verdienst entsprechend, der am Markt anhand von Angebot und Nachfrage bestimmt werden kann) ist es erst möglich einen Teil dieses Zugewinnes an die Ärmeren zu geben. So kann es auch den Ärmeren (materiell) besser gehen, als in einem System der Gleichverteilung.

Bildlich gesprochen: wenn der Kuchen insgesamt größer wird, so kann der Anteil eines (oder aller) Ärmeren absolut wachsen, obwohl der relative Anteil kleiner wird (wenn der ganze Kuchen noch stärker gewachsen ist, wird das Gewicht des anteiligen kleineren Kuchenstückes größer).

(Literatur: Carl Christian von Weizsäcker, Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit - Ein Widerspruch? In: Detlev Rahmsdorf und Hans-Bernd Schäfer (Hrsg.), Ethische Grundfragen der Wirtschafts- und Rechtsordnung, Hamburg und Berlin 1988)

Doch selbst wenn dieser Umstand zugegeben werden kann, so ist nicht zu übersehen, dass diejenigen mit dem relativ kleineren Kuchenstück nicht behaupten werden, dass der Wohlstand ihren Präferenzen entspricht. Doch genau davon geht die Wohlfahrtsökonomie aus.

Ein Ansatz der Gleichverteilung führt indes auch nicht aus dem Dilemma. Aus Machtstreben oder dem Bestreben der Individuen irgendwie besonders (eben individuell) zu sein entsteht entweder wieder Ungleich-Verteilung oder (bzw. und) die Menschen sind wieder unzufrieden.

Das Dilemma

Ein Problem, das hier zutage tritt, ist die fehlende Übereinstimmung des Ziels (in Form der Grundregel des Pareto-Prinzips oder auch der Gleichverteilung) mit dem Ergebnis:
Die für die Wohlfahrtstheorie zugrunde liegenden individuellen Präferenzen führen nicht zu dem Ergebnis, die individuellen Präferenzen auch zu erreichen. Anders ausgedrückt sind die Ergebnisse des Wirtschaftens in der Sichtweise der individuellen Präferenzen nicht unbedingt wünschenswert.

Bereits in meiner Diplomarbeit leitete ich eine dementsprechende Wohlfahrtstheoretische Unschärferelation her: Entweder ein soziales Wohlfahrtsoptimum kann (zufällig) erreicht, aber nicht gemessen werden, oder ein Wohlfahrtsoptimum kann theoretisch gemessen werden, jedoch ist dessen Verwirklichung nicht möglich.

Der grundsätzliche Ansatzpunkt

Aus diesem Grund verfolge ich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit den Ansatz, die Bedingungen für die Übereinstimmung zu prüfen zwischen den normativen Grundlagen und dem Ergebnis, welches am Ende durch diese Grundlage generiert wird. Einfach ausgedrückt: das Ziel wird am Ergebnis gemessen. Die normative Grundlage ist der Wertmaßstab für die Wohlfahrt (das Pareto-Kriterium), welcher das Ziel der Theorie darstellt.

Hierbei gibt es eine weitere Besonderheit zu berücksichtigen, die bislang vernachlässigt wurde: Ein Ziel und insbesondere das System, um dieses Ziel zu erreichen, wird zwangsläufig nicht nur das Ergebnis bestimmen, sondern auch die Bewertung des Ergebnisses beeinflussen (Rückbezüglichkeit).

Als praktisches Beispiel hierfür kann der Umweltschutz im Zusammenhang mit wirtschaftlichem Wachstum dienen. Durch industrielles Wachstum wird die natürliche Umwelt verändert. Die Bewertung dieser Veränderung als Zähmung der Natur oder als Zerstörung der Lebensgrundlage hängt wesentlich vom Ziel ab, wobei materieller Wohlstand (als Ergebnis eines Wohlfahrts- und Wachstumsziels) zumeist erst ermöglicht, Umweltschutz zu fordern (welcher tendenziell wachstumshemmend ist).

Der systematische Ansatz

Ausgangslage

Um ein Ziel dem Ergebnis gegenüber stellen zu können und Rückbezüglichkeiten einzuordnen muss zunächst die Zielgröße definiert werden. Es wäre übereilt und voreingenommen von den Wertmaßstäben einer einzigen (ideologischen) Richtung auszugehen, wie etwa Maximierung materiellen Wohlstandes, Gleichverteilung oder einer anderen Form einseitiger Gerechtigkeits-Vorstellung (Leistungs-Gerechtigkeit, Bedarfs-Gerechtigkeit etc.).

Im Sinne eines offenen Ansatzes kann am Anfang keine Definition stehen, welches Ziel anzustreben ist - letztlich soll dies ein Ergebnis meiner Arbeit sein. Zur Ab- und Eingrenzung kann jedoch gesagt werden, dass es umso etwas wie die Zufriedenheit oder das Glück der einzelnen Individuen geht und darum, dass diese Individuen dies nur in einem gesellschaftlichen Kontext mit anderen Individuen erreichen können.

In der Spieltheorie wird anhand des Verhaltens von Versuchspersonen oder mit virtuellen Agenten ermittelt, was Menschen wirklich wollen und welche Strategien erfolgreich sind (also überleben). Ebenso empirisch befasst sich Prof. Bruno S. Frey und Dr. Alois Stutzer seit einigen Jahren in Zürich mit Glücks- bzw. Happiness-Forschung. Auch mit der Maslowschen Bedürfnispyramide gibt es Hinweise, was das Ziel des Menschen sein kann.

Analyse des Ziels

Doch bevor ich die Bedingungen für ein "gutes" Ziel festlegen kann, will ich als Kernbestandteil meiner Arbeit die genannten Rückbezüglichkeiten des Systems näher analysieren. Nur so ist es möglich, wesentliche Einflussfaktoren auf das Ziel zu erkennen. Hierbei konzentriere ich mich auf die Wechselbeziehungen zwischen drei wesentlichen Ebenen für das individuelle Wohlergehen.

Die drei Ebenen sind:

  1. die individuelle Ebene, mithin die Präferenzen und die Selbsteinschätzung eines jeden Menschen
  2. die Ebene der Wirtschaft in der die Individuen als Wirtschaftssubjekte (z.B. Marktteilnehmer) agieren und deren Rahmenbedingungen durch die Politik festgelegt werden (z.B. als Marktwirtschaft mit freiem Handel und Monopolverbot)
  3. die Gesellschaftsebene in Form des politischen Systems mit der Verfassung

Hierbei erweist es sich von Vorteil, dass die drei Ebenen zumindest theoretisch ein ganz ähnliches Ziel haben: das Wohl des Einzelnen in Form des Eigeninteresses der Individuen, der Nutzenmaximierung der Marktteilnehmer und des Wohl der Bürger.

Im Hinblick auf Ziel und Ergebnis will ich rein systematisch die wesentlichen Zusammenhänge darstellen, die zwischen diesen Ebenen bestehen.

Das Ziel und die Vision

Das Ziel meiner Doktorarbeit ist es, die Ziele und Wertmaßstäbe der Ökonomie (insbesondere der Wohlfahrtstheorie) analytisch und wissenschaftstheoretisch zu analysieren, um vor allem eine wissenschaftliche Diskussion über eben diese normativen Grundlagen zu ermöglichen - auch bei sich wiedersprechenden Wertvorstellungen der Wissenschaftler (z.B. Leistungsgerechtigkeit versus Gleichverteilung).

Die Vision meiner Arbeit geht noch darüber hinaus in Richtung einer Neubegründung der Ökonomie. Sollte ich hierzu ein schlüssiges Konzept erreichen, so könnte der Titel lauten:
Philosophische Neubegründung der Volkswirtschaftslehre.



 

erstellt von Christian Pietsch

Letzte Änderung am 6. Juni 2005